Wahlprüfsteine zur Bundestagswahl 2025

als Bundesverband Promovierenden vertreten wir unsere gemeinsamen Interessen der Promovierenden an deutschen promotionsberechtigten Einrichtungen gegenüber Öffentlichkeit, Politik und Verwaltung. Aktuell bestehen wir aus 37 gewählten Vertretungen, die gemeinsam über 103 000 Promovierende repräsentieren. Das entspricht über 50 % der Promovierenden bzw. 77 % der Promovierenden mit Vertretung.

Zur Bundestagswahl 2025 haben wir am 19.12.2024 die politischen Parteien mit plausibler Wahrscheinlichkeit im nächsten deutschen Bundestag vertreten seinm werde gebeten, Ihrer Standpunkte und konstruktiven Gestaltungsideen für unser Hochschulsystem in Form von Wahlprüfsteinen mit uns zu teilen.

Sobald wir die Antworten der Parteien auf unsere Wahlprüfsteine erhalten haben, werden wir sie hier ebenfalls veröffentlichen.

  I. Wissenschaft in Gesellschaft und Politik
  1. Setzen Sie sich dafür ein, dass Promovierende in ganz Deutschland als eigenständige und stimmberechtigte hochschulrechtliche Statusgruppe anerkannt werden? Setzen Sie sich für die Förderung einer Interessenvertretung der Promovierenden in den Hochschulgesetzen der Länder ein?
  2. Werden Sie bei der WissZeitVG-Novelle und sonstigen Gesetzesvorhaben mit Bezug zur Promotion und zum Hochschulrecht, Promovierende als größte betroffene Gruppe aktiv in den Gesetzgebungsprozess, z.B. durch Promovierende in den Expertengremien, einbinden?
  3. Inwiefern würden Sie folgende Vorschläge bzgl. der WissZeitVG-Novelle umsetzen:
    • 6 Jahre Standardlänge für Arbeitsverträge anstelle von Kettenverträgen
    • Die Regeln müssen als bindende Regeln und nicht als „Soll“-Richtlinien formuliert werden
    • Ausnahmen der Regeln sollten nur in Absprache mit Promovierendenvertretungen möglich sein
    • Die Vertragslaufzeit sollte für Teilzeitverträge verhältnismäßig angepasst werden
    • Der Begriff Qualifikation muss im WissZeitVG klar definiert werden
    • Schutz vor qualifikationsunabhängiger Mehrbelastung durch Garantie von 75% der bezahlten Arbeitszeit für eigene Forschung
  4. Wie soll öffentlich finanzierte Forschung priorisiert und gesteuert werden? Soll eine Differenzierung der wissenschaftlichen Bereiche und Themenfelder hinsichtlich der finanziellen Mittel vorgenommen werden?
  5. Soll der Bund die Verbesserung von universitären Verwaltungsstrukturen unterstützen, bspw. durch Förderung der Digitalisierung und Entbürokratisierung?
  II. Rahmenbedingungen der Promotion
  1. Erkennen Sie promovierende Forschende als Forschende gemäß Art 5 III GG „Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei. Die Freiheit der Lehre entbindet nicht von der Treue zur Verfassung.“ an?
  2. Sehen Sie Promotions-Forschung an deutschen Hochschulen und Forschungseinrichtung als eine berufliche Tätigkeit an, die entsprechend dem TV-L oder TVöD und der geleisteten Arbeitszeit zu vergüten ist? Beabsichtigen Sie die verbreitete und systematische Umgehung des Tarifvertrags mittels Teilzeitverträgen zu unterbinden?
  3. Wie stehen Sie zur ungleichen Bezahlung von Promovierenden in Abhängigkeit vom Promotionsfach, wie sie in den Hinweisen zur Vergütung von Promovierenden der DFG niedergelegt wird?
  4. Wie planen Sie, die geltende EU-Richtlinie zur Arbeitszeiterfassung, entsprechend der Rechtsprechung des EuGH von 2019 und des BAG von 2022, an den Universitäten auch für Promovierende umzusetzen?
  5. Sind BMBF-Stipendien in der Promotion eine Form der Eliteförderung? Wenn ja, wie stehen Sie dazu, dass die Vergütung in den Stipendien unter dem Mindestlohn liegt und keinen Lebensstandard über der Armutsgrenze erlaubt, insbesondere da Kranken-, Arbeitslosen- und Rentenversicherung nicht inbegriffen sind?
  6. Nach BMBF-Statistik liegt die Median-Dauer der Promotion bei 4,7 Jahren und die mittlere Dauer bei 5,7 Jahren. Verträge und Stipendien decken selten die gesamte Dauer der Promotion ab. Dies bedeutet eine erhebliche Unsicherheit für die Perspektive der Promovierenden. Wie können die Vorgaben des BMBF zu Promotionsprojekten geändert werden, damit angemessene Laufzeiten für Stipendien bzw. Arbeitsverträge ermöglicht werden?
  7. Welche Universitätsstrukturreformen unterstützen Sie aktiv, um Machtmissbrauch und doppelte Abhängigkeiten (Doktorvater/-mutter als Betreuer:in, Prüfer:in und Vorgesetze:r) vorzubeugen? z.B. Departmentsstrukturen anstelle von Lehrstuhlstrukturen?
  III. Promotion und Karriere in der Wissenschaft
  1. Mit welchen konkreten Maßnahmen planen Sie, die Planbarkeit einer wissenschaftlichen Karriere nach der Promotion in Deutschland zu verbessern?
  2. Wie sehen Sie das Verhältnis von befristeten Stellen in der Wissenschaft und der häufigen Verbindung dieser Stellen mit Daueraufgaben (z. B. Lehre, administrative und Betreuungsaufgaben)? Sollten Daueraufgaben mit Dauerstellen gekoppelt werden?
  3. Welche Pläne haben Sie für neue wissenschaftliche Berufsbilder (neben z.B. Professor:innen und Akademischen Rät:innen), und damit Karriereperspektiven für Promovierende und Promovierte zu schaffen?
  IV. Diversität und Gesundheit
  1. Bis einschließlich zur Promotion entspricht die Geschlechterverteilung in etwa dem gesellschaftlichen Durchschnitt, dreht sich danach jedoch immer noch signifikant zu Gunsten von Männern. Sehen Sie hierbei einen Zusammenhang zu der Planbarkeit der wissenschaftlichen Karriere nach der Promotion? Sehen Sie hier einen Handlungsbedarf? Falls ja welche konkreten Maßnahmen haben Sie geplant?
  2. Die Wahrscheinlichkeit, als Akademikerkind in Deutschland eine Doktorwürde zu erlangen, ist ca. 10-fach höher im Vergleich zu Kindern aus Familien ohne akademischen Hintergrund. Sehen Sie hier einen Handlungsbedarf? Falls ja, welche Maßnahmen genau planen Sie in der nächsten Legislaturperiode dafür?
  3. In der Wissenschaft werden eine hohe Flexibilität und Mobilität gefordert, was sich mitunter schwer mit dem Familienleben sowie mit einer Behinderung oder chronischen Erkrankung vereinbaren lässt. Was wird Ihre Partei für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf sowie die Einschränkung durch eine Krankheit in der Wissenschaft tun?
  4. Emotionales, psychisches und soziales Wohlbefinden sind essenziell für eine erfolgreiche Promotion. Welchen Handlungsbedarf sehen Sie im Bereich „mental health” im Wissenschaftsbetrieb?
  5. Mehr als 20 % der Promovierenden in Deutschland sind nicht-deutsche Staatsangehörige. Ein Großteil dieser internationalen Promovierenden verlässt nach der Promotion Deutschland wieder. Sehen Sie hier einen konkreten Handlungsbedarf, um hochqualifizierte Expert:innen besser in Deutschland zu halten? Falls ja, welche Maßnahmen genau planen Sie in der nächsten Legislaturperiode dafür? (z.B. Deutschkurse oder bürokratische Vereinfachung des Übergangs von Promotion in den deutschen Arbeitmarkt)
  6. In der Praxis wird nicht selten insbesondere bei Nicht-EU-Promovierende missbräuchlich davon Gebrauch gemacht, dass der Aufenthaltstitel vom aktuellen Kettenvertrag abhängt, und nicht von der Zulassung des Promotionsvorhabens. Welche konkreten Maßnahmen wollen Sie ergreifen, um jene mit am schlechtesten gestellten Promovierende besser vor arbeitsrechtlichem Missbrauch zu schützen?
  V. Wissenschaftlicher Austausch
  1. Sollte öffentlich geförderte Forschung generell öffentlich zugänglich sein, z. B. durch Open Access? Wie soll bei Open Access mit Urheber- und Verwertungsrechten umgegangen werden? Inwiefern sehen Sie darin eine Chance die bisher hohe Veröffentlichungszahlungen an Dritte zu vermeiden, wie genau würden Sie diese nutzen?
  2. Welche Formen des Austauschs zwischen Wissenschaft und Gesellschaft sind hervorzuheben, wie kann Wissenschaftskommunikation gestärkt werden?
  3. Welchen Einfluss sollen wissenschaftliche Erkenntnisse auf politische Entscheidungen haben, welche Rolle haben Wissenschaftler:innen dabei?
  4. Für wie wichtig erachten Sie die Weiterentwicklung des europäischen Forschungsraums und des europäischen Hochschulraums? Wie stehen Sie zu europäischen Austauschprogrammen für Promovierende und in welcher Form wollen Sie diese gegebenenfalls fördern?